Coastal Rowing auf dem Bodensee – Wasserschutzpolizei im Einsatz

Coastal Rowing hat nun auch den Bodensee erreicht. Ein schnittiger hellblau-weisser Euro Diffusion’s X-19 sorgt bereits auf einer seiner ersten Touren für Aufsehen am und auf dem See!

(Text: Dr. Markus Heyerhoff, Rudertour: 24. Februar 2018)

Am Samstag bin ich eine zweite Testrunde mit dem X-19 gefahren, bei -3°C und 4 Bft NO und 5 km Wellenaufbaulänge und durchschnittlich 100 m Wassertiefe, also mäßigem Wellengang. Was den X-19 betrifft, haben sich die früheren Erfahrungen bestätigt: Der X-19 nimmt die Wellen sehr gut. Besonders schön ist, dass er bei einem Sprung über eine Welle selten krachend auf die nächste Welle aufschlägt, sondern schön einschneidet und dabei auch noch verhältnismäßig wenig spritzt. Ich bin erstaunlich wenig nass geworden. Außerdem reitet es die Wellen auch diagonal toll ab. So habe ich mir das gewünscht, ein tolles Boot für Wellengang. Dass das Boot nach 1,5 Stunden vorne immer schwerer wurde, weil die durchgehende Eisschicht auf dem Vordeck immer dicker wurde (bis zu 2 cm, das wiegt schon was), ist ein Schmunzeln wert. Ja, und das Klötern des Eises im Fußraum bei jedem Ruderschlag nervt geräuschtechnisch etwas 😉 – Fazit: Tolles Boot.

Aber jetzt kommts, warum die Rudervereine auf dem Bodensee vielleicht skeptisch auf das Boot schauen werden. Daran habe ich nie gedacht. Also, ich verpacke es in eine Geschichte:

Nach ca. 1 Stunde kreuz und querer Ruderstrecken vor Dingelsdorf kam ein großes Wasserschutzpolizeiboot aus Konstanz zu mir: Bewohner von Dingelsdorf hätten bei der Wasserschutzpolizei angerufen, dass ein Ruderboot bei unmöglichen Ruderverhältnissen auf dem See fährt. Ich muss dazu sagen, dass das Sturmwarnsystem des Bodensees 40 Blitze anzeigte (nennt sich Starkwindwarnung), was bedeutet, dass Böen zwischen 25 und 33 Knoten auftreten können, also Böen bis Bft 6-7. Dazu muss man sagen, dass der Wind auf dem Bodensee für Ostsee-Erfahrene extrem ungleichmäßig ist. Am Samstag habe ich den Wind zwischen 2 und in Böen 6 Bft immer hin und her pendelnd erlebt, also im Mittel nichts wirklich Windiges. Bei 40 Blitzen gilt die strenge Regel aller Ruderclubs rund um den See, dass alle Boote unverzüglich zum Club zurückmüssen und notfalls anlanden müssen, wenn der Club zu weit ist. Das Sturmwarnsystem wird vom Flughafen Zürich aus gesteuert und reagiert sehr empfindlich auf mögliche Gefahren durch Böen. Für einen Ostsee-Segler tritt die Starkwindwarnung mit 40 Blitzen daher erstaunlich schnell ein, wenn man noch nicht mal schönen Segelwind hat. Im Ostsee-Maßstab würde ich sagen: Was wir als Ostseesegler mit 3 Bft, manchmal 3-4 Bft einschätzen, geht mit 40 Blitzen einher, eben wegen der Böigkeit.

Lange Rede kurzer Sinn: Die 40 Blitze treten schnell auf und haben mich gar nicht interessiert. Aber die Anwohner schon, da gab es Turbulenzen. 2 Polizeiboote sind raus nach mir suchen, wie mir ein Beamter vom Boot aus sagte! Das war ein Spektakel. Aber die Beamten waren ausnehmend freundlich, und nachdem ich denen die Besonderheiten des Coastal Rowing und des X-19 erklärt hatte und ich zudem Neopren anhatte und versicherte, dass ich bei einem Kentern ohne Probleme schnell wieder drin bin und weiterfahren kann, waren sie zufrieden und ließen mich weiterfahren. Ich solle nur immer vorher anrufen, wenn ich ab 2-3 Bft raus ginge, damit man sich den Einsatz sparen kann, wenn besorgte Anwohner anrufen. Und ich solle dann auch bitte anrufen, wenn ich wieder an Land bin, damit die Beamten wissen, dass es mir gut geht. Ist ja auch sehr vernünftig. Aber so ist der Bodensee, es ist wegen der unberechenbaren Böen eben nicht die Ostsee. Ich bin gespannt, was passiert, wenn ich bei 90 Blitzen (Böen ab 8 Bft möglich) raus gehe, also bei Sturmwarnung. Wahrscheinlich rufen Anwohner dann Kampftaucher der Schweizer Marine.  😉

Das heißt: Der X-19 hat seine ausgesprochenen Stärken bei Wind und Wellen. Für die Clubs ist das weniger spannend, denn wenn Wellen sind (also etwas Wind = 40 Blitze), gehen Clubruderer eh nicht raus. Und dass die Clubs für den X-19 andere Regeln aufstellen, oder sogar das Wellenrudern anfangen, erscheint mir wenig wahrscheinlich. Schließlich steht die Sicherheit der Clubmitglieder ganz oben. Und bei Wellengang kippt eben doch mal einer mitten auf dem See um. Und wenn dann kein Neopren getragen wird, sieht es zumindest im Winter und Frühling ganz düster aus.

Daher kann ein X-19 in den See-Clubs seine Vorteile vermutlich sehr selten ausspielen. Im Gegenteil: Da der X-19 zum Rudern bei Wellen einlädt, wird er vielleicht sogar eben wegen seiner Stärken als weniger geeignet erscheinen, verleitet er doch etwas zu tun, was man ohne gute Vorbereitung nicht machen sollte. Ich vermute daher, dass einzelne Clubmitglieder schon Interesse an einem X-19 hätten, die Vereinsführungen nur dann, wenn der X-19 die Sicherheit der Ruderer erhöhen kann. Das wäre zu prüfen.

Als ich dann am Samstag in Überlingen wieder an Land bin, hat mich sofort ein Streifenwagen besucht und die Beamten haben mich aus dem Auto heraus ausgiebig gemustert. Da ich gerade mit der WaPo Konstanz telefonierte (wie mit denen verabredet, dass ich wieder an Land bin) und keine Zeit für die Beamten hatte bzw. die das Gespräch mithörten, sind die wieder gefahren, bevor ich sie fragen konnte, warum sie zu mir gekommen sind. Aber der Grund liegt wohl auf der Hand: Anwohner müssen auch in Überlingen die Polizei verständigt haben, dass ein ungewöhnlicher Ruderer bei Wind auf dem See war und man das vielleicht überprüfen müsste.

Soweit für heute. Ich halte Euch auf dem Laufenden, wenn das nächste Mal die Schweizer Kampftaucher anrücken  😉

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