Vizeweltmeister Eduardo Linares im Interview mit ‚rudersport‘

In der aktuellen Ausgabe vom rudersport Magazin (#12/2021) gibt der amtierende Coastal Rowing Vizeweltmeister Eduardo Linares Einblicke in seine Ruderkarriere und was für ihn die Faszination vom Coastal Rudern ausmacht. Dank freundlicher Unterstützung vom rudersport können wir das Interview in unserem Blog veröffentlichen.

Im Ruderboot auf der perfekten Welle

Eduardo Linares, 33, stammt aus Peru und ist dennoch das deutsche Aushängeschild im Coastal Rowing. Hohe Wellen sind für ihn kein Hindernis, sondern vielmehr ein guter Grund zum Rudern.

Er rudert am liebsten dort, wo andere Ruderer gar nicht erst ins Boot steigen würden. Eduardo Linares liebt Wellen – möglichst hohe, möglichst starke. „Dann macht es besonders viel Spaß“, sagt er im Gespräch mit rudersport. Der gebürtige Peruaner ist im Coastal Rowing aktiv, also der Wildwasser-Variante des Ruderns. Gerudert wird auf dem offenen Meer sowie auf unruhigen oder mit Schifffahrt frequentierten Flüssen und Seen. „Coastal Rowing ist ein bisschen anders als das normale Rudern“, erzählt er. „Man braucht noch etwas andere Fähigkeiten und etwas mehr Balance, um das Boot zu kontrollieren.“ Auch die Boote unterscheiden sich von den gewöhnlichen Ruderbooten. Sie haben ein offenes Heck, wodurch das Wasser ablaufen kann. Aufgrund ihrer Bauweise liegen sie stabil im Wasser, können praktisch nicht sinken und erlangen durch das Surfverhalten hohe Geschwindigkeiten. Gerudert wird im Einer, im Zweier oder im Vierer.

Riskant ist Coastal Rowing nur bei schwersten Bedingungen

Einsteigern empfiehlt Linares, zunächst im Team über die Wellen zu reiten. „Im Einer ist es wirklich hart. Aber zusammen mit einem oder drei anderen Ruderern macht es einfach Freude“, erklärt er. Ob dieser Sport gefährlich sein kann? „Wenn überhaupt, dann nur bei sehr schwierigen Bedingungen und wenn man völlig alleine wäre, ansonsten nicht“, antwortet er. Der Peruaner selbst ist ein Meister seines Fachs. Im Oktober 2018 gewann er den World Rowing Coastal Championship in Kanada. Auch bei der vergangenen Weltmeisterschaft, die in Oeiras (Portugal) stattfand, ist er erfolgreich gewesen. Bei insgesamt sieben A- und elf B-Finalteilnahmen feierte das Mitglied des Berliner Ruder-Clubs mit seiner Silbermedaille im CM1x den größten Erfolg für das deutsche Team. Auch für ihn selbst hat diese Medaille eine ganz besondere Bedeutung. „Ich hatte im vergangenen Winter einen Skiunfall in der Schweiz und habe mir die rechte Schulter gebrochen“, erzählt er. „Ich musste operiert werden und konnte zwei Monate lang überhaupt nicht trainieren. Erst nach der Therapie konnte ich mit dem Training wieder so langsam beginnen. Dass ich trotzdem eine Medaille gewonnen habe, bedeutet mir sehr viel. Zumal auch die Bedingungen in Oeiras sehr rau waren.“

Aufgewachsen an der Küste von Peru

Das Interesse am Rudern entstand bei Linares bereits im Alter von sechs Jahren. „Ich habe damals in der Hauptstadt Lima, also direkt an der peruanischen Küste, gelebt. Daher war es naheliegend, Wassersport zu betreiben“, erzählt er. Die Wasserbedingungen dort waren vor allem eines: immer anders. An einigen Tagen glich das Meer gefühlt einem Ententeich. Aber es gab eben auch Tage, an denen der Wind für einen ordentlichen Wellenschlag sorgte. „Es wäre für mich etwas aufwändig gewesen, zu einem See zu fahren und dort zu rudern. Coastal Rowing bot mir die Möglichkeit, unabhängig von den Bedingungen an der Küste zu rudern.“ Peru ist ein sportbegeistertes Land. Fußball ist, wie praktisch überall in Südamerika, die Nationalsportart. Auch Volleyball und Surfen erfreuen sich einer großen Beliebtheit. Coastal Rowing in den vergangenen Jahren ebenfalls. „Man spürt, dass dieser Sport sehr populär geworden ist“, sagt er. Einen Trend, den er mittlerweile in vielen Teilen der Welt feststellen konnte. „Ein Grund dafür ist sicherlich, dass man an immer mehr Orten Coastal Rowing betreiben kann“, sagt er.

Die Liebe führte ihn nach Deutschland

Linares betrachtet sich selbst als einen Botschafter dieses Sports. „Ich versuche, meinen Sport auch hier in Berlin bekannter zu machen. Ich hoffe, dass es noch mehr Ruderer und noch mehr Boote in diesem Bereich geben wird.“ Der Berliner RC, dem er angehört, könne dabei praktisch eine Vorreiterrolle einnehmen: „Wir haben einen Einer, Zweier und Vierer und bereiten ein Team auf die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr vor.“ Dass der Südamerikaner überhaupt in der deutschen Hauptstadt gelandet ist, hängt mit seinem privaten Glück zusammen. „Meine Frau kommt aus Berlin. Ich habe sie in Italien beim Weltcup in Varese kennengelernt“, erzählt er. „Sie war dort, weil sie für einen bekannten Ruderbekleidungs-Hersteller arbeitet. Sie selber ist keine Ruderin. Aber sie hatte schon immer eine Verbindung zu dem Sport, weil ihre Eltern Ruderer sind.“ Über fünf Jahre sind seit dem ersten Date vergangen. Heute haben sie eine gemeinsame dreijährige Tochter und sind verheiratet. Linares startet seitdem für die Mannschaft des Deutschen Ruderverbandes. „Ich habe hier in Berlin ideale Trainingsbedingungen“, lobt Linares, der gerne auf dem Wannsee rudert. Auch sonst fühlt er sich hierzulande wohl. „Das Essen ist super, das Multikulturelle gefällt mir auch sehr gut. Nur das kalte Klima gefällt mir nicht. Im Winter wird es hier wirklich extrem kalt. So etwas kannte ich aus Peru überhaupt nicht“, erzählt er auf Englisch. Die deutsche Sprache bereitet ihm noch immer große Probleme. „Ich lerne die Sprache, aber es ist wirklich schwer“, sagt Linares, der seit zwei Jahren in Deutschland lebt. Sein Fokus gilt neben der Familie dem Sport – ohne sonstige Ablenkungen. „Ich habe Sponsoren, die mir das ermöglichen und für die es wichtig ist, dass ich mein Training gut weiterführen kann.“ Vor seinem Umzug nach Deutschland hat er in seiner Heimat als Anwalt gearbeitet. Diesen Beruf später auch hierzulande auszuüben, habe er allerdings nicht geplant. „Es ist eher mein Ziel, hier als Trainer zu arbeiten“, erklärt er. „Dieser Sport ist mein Leben und meine Leidenschaft. Es wäre für mich kaum vorstellbar, ins Büro zu gehen und dort acht Stunden zu arbeiten. Ich bin ein Mensch, der fünf Stunden am Tag trainiert. Ich möchte mich bewegen, will neue Dinge sehen und aktiv sein.“ Und eben genau dort, wo andere Ruderer gar nicht erst ins Boot steigen würden.

Autor: OLIVER JENSEN

Original-Artikel rudersport: 21#12_Rudersport_Magazin_Interview EduardoLinares

 

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